Ungeerdete Stromversorgungen (IT-Systeme) werden immer dann eingesetzt, wenn ein erster Isolationsfehler nicht zum Ansprechen einer Schutzeinrichtung und damit Unterbrechung der Stromversorgung führen darf. Klassische Einsatzgebiete sind beispielsweise medizinisch genutzte Bereiche, sensible Prozesse im Industriebereich, geregelte Antriebe in der Schwerindustrie und vieles mehr. Mit der Energiewende sind zudem neue Anwendungen wie die Elektromobilität oder DC-Systeme hinzugekommen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Normensituation.
Die grundsätzlichen Netzformen sind in der DIN VDE 0100-100 (VDE 0100-100):2009-06 dargestellt. In Ab. 131.1 dieser Norm wird darauf hingewiesen, dass mit diesen Anforderungen die Sicherheit von Personen, Nutztieren und Sachwerten hinsichtlich der Gefahren und Schäden sichergestellt wird, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch elektrischer Anlagen in entstehen können. Zu den Risiken gehören insbesondere das Auftreten von gefährliche Körperströme und die Unterbrechung der Stromversorgung.
Das IT-System wird in Ab. 312.2.3 (AC), 312.2.4.5 (DC) und im Anhang A beschrieben. Es gilt die Festlegung, dass alle aktiven Teile von Erde getrennt oder ein Punkt ist über eine Impedanz mit Erde verbunden sind. Die Körper (von elektrischen Betriebsmitteln) der elektrischen Anlage sind entweder einzeln oder gemeinsam geerdet oder gemeinsam mit der Erdung des Systems verbunden (siehe auch DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10) 411.6. Das System darf auch mit Erde über eine ausreichend hohe Impedanz verbunden sein. Diese wird in Deutschland nur für Mess- oder Funktionszwecke angewendet.
Für die Stromquelle muss zwischen einem „normalen“ IT-System oder einem medizinischen
IT-System unterschieden werden. Für die Stromquelle eine Trennung mit Basisisolierung erforderlich. In der Praxis meist durch einen Trenntransformator. Ebenso kann dies durch eine Batterie, ein autarkes PV-System oder einen mobilen Stromerzeuger erreicht werden. Im medizinischen IT-System müssen die Ableitströme wegen einer möglichen Patientengefährdung bei intrakardialen Eingriffen (z.B. am offenen Herzen) besonders niedrig sein. Der geforderte Trenntransformator ist in der DIN EN 61558-2-15 (VDE 0570-2-15):2012-09 beschrieben.
Das IT-System wird in der Praxis häufig auch „das ungeerdete Stromversorgungssystem“ genannt. Dieses „ungeerdet“ bezieht sich jedoch nur auf die Verbindung zwischen allen aktiven Leitern und dem Erdungssystem. Nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 Abschnitt 411.3.1.1 „Schutzerdung“ müssen die Körper mit einem Schutzleiter verbunden werden, abhängig von der Art der Erdverbindung. Für das IT-System bedeutet das nach 411.6.2 die Körper einzeln, gruppenweise oder gemeinsam geerdet und die folgenden Bedingungen erfüllt sein müssen:
In Wechselstromsystemen RA × Id ≤ 50 V
Dabei ist
RA die Summe der Widerstände in Ω des Erders und des Schutzleiters zum jeweiligen Körper;
Id der Fehlerstrom in A beim ersten Fehler mit vernachlässigbarer Impedanz zwischen einem Außenleiter und einem Körper.
In Gleichstromsystemem wird die Begrenzung der Berührungsspannung nicht berücksichtigt, weil der Wert von Id als vernachlässigbar klein angesehen wird.
Der Fehlerstrom Id nach Auftreten eines 1. Fehlers gegen einen Körper oder Erde ist sehr niedrig und eine automatische Abschaltung nicht erforderlich (DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 Ab. 411.6.1), vorausgesetzt die Erdung nach Abschnitt 411.6.2 ist erfüllt. Dies bedeutet, dass der Schutzleiterwiderstand RA parallel zum Körperwiderstand liegt und der an sich schon sehr niedrige Fehlerstrom über diesen Schutzleiter fließt und das die Berührungsspannung signifikant unter dem max. zulässigen Wert von 50 V bleibt. Dies ist insbesondere auch im medizinischen Bereich von Vorteil.
Der Wert des Fehlerstromes Id bei einem ersten Fehler wird bestimmt durch die Nennspannung, Nennfrequenz sowie die Parallelschaltung aus Netzableitkapazität und Isolationswiderstand der elektrischen Anlage gegen Erde. Der Fehlerstrom fließt bei einem ersten Fehler mit vernachlässigbarer Impedanz zwischen einem Außenleiter und einem Körper. Bei einem guten Isolationsniveau es elektrischen Systems kann Id in guter Näherung durch die Netzableitkapazität bestimmt und wie folgt berechnet werden:
Für 3ph-System
ICe = U⁄√3 ×3ω × Ce = U ×√3×ω × Ce
Für 3ph-System
ICe = U × ω × Ce
Nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 Abschnitt 411.6.3 können in IT-Systemen die folgenden Überwachungs- und Schutzeinrichtungen eingesetzt:
Nach Abschnitt 411.6.3.1 muss eine Isolationsüberwachungseinrichtung (IMD) vorgesehen werden, um einen ersten Fehler zwischen einem aktiven Teil und einem Körper oder gegen Erde zu melden. Diese Einrichtung muss ein hörbares und/oder sichtbares Signal erzeugen, das so lange andauern muss, wie der Isolationsfehler besteht. Es wird empfohlen, dass ein erster Fehler so schnell wie praktisch möglich beseitigt wird. Das „so schnell wie praktisch möglich“ hängt von den praktischen Gegebenheiten der Anlage ab. Grundsätzlich hat das IT-System aber den deutlichen Vorteil, dass ein Isolationsfehler nicht sofort beseitigt werden muss, sondern durchaus so lange hinausgezögert werden kann, bis z.B. das nächste Wartungsintervall für die Anlage fällig ist.
Mit einer Isolationsfehler-Sucheinrichtungen (IFLS) können fehlerbehaftete Abgänge bzw. Geräte während des Betriebes lokalisiert werden, d.h. ein Abschalten der Anlage entfällt. Zur Fehlersuche werden Messpulse dem IT-System überlagert, die dann wiederum von Messstromwandlern erfasst und ausgewertet werden. Anhand der Zuordnung Messstromwandler / Abgang kann so der fehlerbehaftete Abgang leicht ermittelt werden.
Die Auslegung der Überstrom-Schutzeinrichtungen erfolgt unter Berücksichtigung von DIN VDE 0100-430 (VDE 0100-430):2010-10. Für IT-Systeme ist dabei insbesondere zu beachten:
Nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10, Ab. 411.3.3 muss in Wechselspannungssystemen ein zusätzlicher Schutz durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) für die Steckdosen < 32 A vorgesehen werden, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind. Diese Forderung ist jedoch für IT-Systeme nicht praxisgerecht, so dass RCDs in IT-Systemen die gewünschte Schutzwirkung nicht erzielen. Das Funktionsprinzip einer RCD erfordert nach einem ersten Fehler einen Fehlerstrom Id , der über dem Bemessungsfehlerstrom IΔn einer RCD liegen muss (e.g. > 30 mA). Dies ist jedoch in der Praxis nicht der Fall. Selbst zwei unabhängige Isolationsfehler an beiden aktiven Leitern oder angeschlossenen Betriebsmitteln führt nicht zum Auslösen einer RCD, da diese beiden Fehler wie ein Verbraucher wirken.
In der Ausgabe der DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 wird jedoch auf internationaler Ebene der zusätzliche Schutz durch RCDs IΔn < 30 mA auch für die Steckdosenstromkreise von IT-Systemen gefordert, wenn bei einem ersten Fehler ein Fehlerstrom Id von > 15 mA fließen kann. Bei genauer Betrachtung zeigt es sich jedoch, dass diese Forderung nicht nur technisch zu hinterfragen ist:
Für IT-Systemen gilt das primäre Ziel, das bei einem ersten Fehler keine unerwartete Abschaltung. erfolgen soll. Insofern ist der Einsatz von Lichtbogen-Schutzeinrichtungen für Endstromkreisen bis 16 A in IT-Systemen nicht sinnvoll. Dies ist auch Gegenstand der aktuellen DKE Verlautbarung vom 3. November 2017 ist. Darin sind folgende Festlegungen enthalten:
a) DIN VDE 0100-420 (VDE 0100-420):2016-02, Abschnitt 421.7 enthält keine Anforderungen an elektrische Anlagen, die in den Anwendungsbereich (Abschnitt 710.1) der DIN VDE 0100-710 (VDE 0100-710):2012-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 7-710: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Medizinisch genutzte Bereiche“ fallen. Medizinisch genutzte Bereiche in Senioren- und Pflegeheimen, in denen Patienten einer ärztlichen Behandlung unterzogen werden, fallen somit nicht in den Geltungsbereich von DIN VDE 0100-420 (VDE 0100-420):2016-02, Abschnitt 421.7.
b) Auf Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) kann verzichtet werden für Stromkreise, die elektrische Verbrauchsmittel versorgen, bei denen eine unvorhergesehene Unterbrechung der Stromversorgung eine Gefahr oder einen Schaden verursacht. Dies gilt z. B.
Ein Isolationsüberwachungsgerät wird unter Berücksichtigung folgender Kriterien ausgewählt:
Um die Auswahl der Isolationsüberwachungsgeräte für den Planer und Anwender einfacher zu gestalten, sind in der Produktnorm für Isolationsüberwachungsgeräte der DIN EN 61557-8 (VDE 0413-8):2015-12 weitere Festlegungen enthalten:
Wichtige Hinweise für die Projektierung von IT-Systemen sind in der DIN VDE 0100-530 (VDE 0100-530):2018-06 „Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte“ im Abschnitt 538 enthalten:
Der Ansprechwert ist passend zur betreffenden Anlage einzustellen. Nach Ab. 538.1.3 wird ein Wert von 100 Ohm/V und für eine Vorwarnung ein Wert von 300 Ohm/V empfohlen. In der vorhergehenden Ausgabe der DIN VDE 0100-530:2011-06 und in der DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100):2015-10 Ab. 5.3.3.101.3.3. wird Richtwert von 50 Ohm/V empfohlen. Beide Größenordnungen sind im Prinzip richtig und werden von der Anzahl der Verbraucher und Qualität der Installation beeinflusst (z.B. Feuchtigkeit, Staub etc.). In der Praxis wird der auf dem Display des IMDs angezeigte Wert dazu verwendet, einen Alarmwert einzustellen, der unterhalb dieses angezeigten Wertes liegt und somit gewünschten Minimalwert darstellt und genügend Spielraum für Service- und Wartungsarbeiten lässt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass alle wichtigen Abgänge der Anlage auch in Betrieb sind.
Ein Vorteil ist jedoch auch, dass durch eine signifikante Änderung des Isolationswiderstand beim Zuschalten bzw. Wegschalten eines Verbrauchers oder Anlagenteiles durch das IMD angezeigt werden und sich so mögliche Schwachstellen selbst kenntlich machen.
Nach Ab. 538.3 kann ein Isolationsüberwachungsgerät in TN-, TT- und IT-Systemen zur Überwachung abgeschalteter Verbraucher oder Anlagen einsetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Motorwinden, Aufzüge, Schieberantriebe. Voraussetzung ist die allpolige Trennung des überwachten Stromkreises vom Netz.
Nach DIN VDE 0100-410:2018-10 Abschnitt 411.6.4 müssen nach Auftreten eines ersten Fehlers die Bedingungen für die Abschaltung im Falle eines zweiten Fehlers, der sich auf einem anderen Leiter ereignet, erfüllt werden. In der Praxis heißt das, dass ein bestimmter Schleifenimpedanz eingehalten werden muss. Für IT-Systeme ohne Neutralleiter
ZS ≤ U/(2 × Ia )
U = Nennwechselspannung zwischen den Außenleitern
Ia = Strom, der das Auslösen der Schutzeinrichtung innerhalb der Zeit nach 411.3.2.2 / 411.3.2.3 bewirkt.
Wenn aus Verfügbarkeitsgründen bei einem ersten Fehler nicht abgeschaltet werden soll, so muss beim Einsatz von RCDs beachtet werden, dass der vorhandene Fehlerstrom Id < 0,4 IΔn beträgt. Für ein 30 mA RCD bedeutet dies Id < 12 mA.
Dazu gibt es die Anmerkung, das symmetrische Fehler an unterschiedlichen Außenleitern keinen zur Abschaltung führenden Fehlerstrom erzeugen.
Wenn die Abschaltbedingungen für den Überstromschutz nicht erfüllt werden können, z.B.
und ein zusätzlicher Potentialausgleich nicht möglich ist, kann ein RCD für jedes einzelne Verbrauchsmittel eingesetzt werden.
DIN VDE 0100-410:2018-10 Abschnitt 431.2.2 enthält die Anmerkung, dass in IT-Systemen empfohlen wird, den N-Leiter nicht mitzuführen. Dies ist dann zu berücksichtigen, wenn in einem 3ph/N IT-System auch 1phasige Verbraucher angeschlossen werden. Kommt es zu einem Isolationsfehler in L1, wird die Spannung in den Leiter L2/L3 gegen Erde auf die verknüpfte Spannung z.B. 400 V angehoben. Dadurch könnten Entstörkondensatoren, die gegen Erde geschaltet sind, beschädigt werden. Es ist hierbei zu beachten, dass die Spannungsverschiebung nur die Spannung zur Erde betrifft. Eine Spannungsverschiebung zwischen den aktiven Leitern erfolgt nicht. Die einphasigen Betriebsmittel müssen dann entsprechend ausgelegt sein, d.h. für einen Betrieb in 3ph/N Systemen geeignet sein. In der Praxis werden dann häufig zwei getrennte IT-Systeme errichtet, jeweils für 1ph- und 3ph-Verbraucher.
An dieser Stelle auch ein Hinweis auf die allgemein gültige Anmerkung aus DIN VDE 0100-430 (VDE 0100-430):2010-10 Ab. 433.3.3, dass auf Überlast-Schutzeinrichtungen verzichtet werden darf, wenn eine unvorhergesehene Unterbrechung des Stromkreises eine Gefahr darstellen würde. In diesen Fällen sollte eine Überlast-Meldeeinrichtung in Betracht gezogen werden.
IT-Systeme sind immer dann von Vorteil, wenn ein erster Fehler nicht zum Ausfall der Stromversorgung führen darf. Ein normgerechter Aufbau sowie eine korrekte Auswahl der Schutz- und Überwachungseinrichtungen sind die wesentliche Basis für einen störungsfreien und sicheren Betrieb bei.
Hofheinz, Wolfgang - Schutztechnik mit Isolationsüberwachung, VDE-Verlag GmbH, Berlin
DIN VDE 0100-100 VDE 0100-100:2009-06
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Teil 7-710: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Medizinisch genutzte Bereiche
DIN EN 61557-8 VDE 0413-8:2015-12
Elektrische Sicherheit in Niederspannungsnetzen bis AC 1 000 V und DC 1 500 V – Geräte zum Prüfen, Messen oder Überwachen von Schutzmaßnahmen
Teil 8: Isolationsüberwachungsgeräte für IT-Systeme
DIN EN 61557-9 VDE 0413-9:2015-10
Elektrische Sicherheit in Niederspannungsnetzen bis AC 1 000 V und DC 1 500 V – Geräte zum Prüfen, Messen oder Überwachen von Schutzmaßnahmen
Teil 9: Einrichtungen zur Isolationsfehlersuche in IT-Systemen
Normen sind zu beziehen über den VDE-Verlag oder Beuth.
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Isolationsüberwachungsgerät für Umrichterapplikationen und große Industrieanlagen
Isolationsfehlersuchgerät zur Lokalisierung von Isolationsfehlern in Hauptstromkreisen
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